Thursday, March 28, 2024
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Die Ansprache Raisis: Ein peinlicher Schandfleck auf dem Ansehen der Vereinten Nationen

Am vergangenen Dienstag beging der Präsident des iranischen Regimes, Ebrahim Raisi, mit einer bösartigen virtuellen Ansprache vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen sein interna-tionales Debut. Er bezeichnete die von den USA über das Regime verhängten Sanktionen als „repressiv“. Und er meinte: „Das hegemoniale System der Vereinigten Staaten besitzt keine Glaub-würdigkeit.“ Es liegt am Tage, daß derartigen Bemerkungen keine ernsthafte Bedeutung zukommt. Doch sie beweisen, wie Teheran sich in seiner Haltung dadurch bestärkt sieht, daß der Westen und besonders Europa zu dem schurkischen Verhalten Teherans keine entschiedenere Haltung eingenommen hat.

Die Iraner verspotten die Mullahs wegen ihrer beispiellosen Unverschämtheit und ihren maßlosen Erklärungen. Doch diese Unverschämtheit trat niemals deutlicher hervor als in Raisis Behauptung, die von den USA über die Theokratie verhängten Sanktionen stellten „ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ dar.

Das ist wirklich starker Tobak – besonders aus dem Munde einer Gestalt, die vom iranischen Volk und globalen Menschenrechts-organisationen wegen der Schlüsselrolle, die sie während des Massakers von 1988 spielte, als schuldig an Verbrechen gegen die Menschlichkeit befunden wird.

Seitdem Raisi in das Amt des Präsidenten der Mullahs erhoben wurde, haben Menschenrechtsorganisationen ihn lautstark verurteilt und aufgrund von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord seine Verfolgung verlangt. Im Jahre 1988 hatte er der „Todeskommission“ angehört, die den Mord an mehr als 30 000 politischen Gefangenen zu verantworten hatte. Die Opfer wurden in geheimen Massengräbern bestattet; bis auf den heutigen Tag ist es ihren Angehörigen nicht gestattet, ihnen Trauer- und Gedenkfeiern zukommen zu lassen. Die meisten der Opfer hatten der demokra-tischen Haupt-Opposition Volksmojahedin (PMOI/MEK) angehört. Seit 33 Jahren streben ihre Angehörigen darnach, daß ihnen Gerechtigkeit widerfährt.

Ebrahim Raisi, der oberste Henker des Regimes, erobert am 12. Mai 2021 das Amt des iranischen Präsidenten

Die Kultur der Straflosigkeit, der sich Verbrecher und Personen, die gegen die Menschenrechte verstoßen, in Teheran erfreuen, hat einem Massenmörder den Aufstieg zu einer der höchsten Positionen des religiösen Regimes ermöglicht. Dazu erklärte die globale Menschenrechtsgruppe „Amnesty International“: „Die Tatsache, daß Ebrahim Raisi in das Amt des Präsidenten aufstieg, anstatt daß gegen ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Mordes, erzwungenen Verschwindens und Folter – ermittelt wird, erinnert auf grimmige Weise daran, daß die Straflosigkeit im Iran die höchste Gewalt innehat.“

Das Fehlen internationaler Ermittlungen von Raisis Mitschuld an dem Mord an tausenden unschuldiger Zivilpersonen macht dem Regime Mut. Das Schweigen Europas zu dieser Sache ist betäubend und ein Grund der Scham. Schon bevor er durch eine gefälschte Wahl als Präsident installiert wurde, war seine Bilanz mit besonders schweren Menschenrechtsverstößen gefüllt. Als Staatsanwalt der Provinzen Hamedan und Karaj übte er die Aufsicht über die Folterung und Hinrichtung von tausenden politischen Gefangenen aus. Und während seiner Amtszeit als Leiter der Justiz wurden mindestens 1500 Menschen auf den Straßen erschossen. Tausende weitere wurden, so schreibt Amnesty International, im November 2019 der Haft und Folter unterworfen.

Anstatt daß man ihm auf internationalen Foren das Rednerpult überläßt, müßte Raisi identifiziert, der Scham ausgeliefert, zum Gegenstand der Ermittlung gemacht und verfolgt werden. Die europäischen Staaten sollten nicht um unbedeutender Handelsab-kommen willen Massenmördern eine Legitimität verleihen. Derartiges Handeln läuft auf einen Verrat der Werte und Prinzipien hinaus, für deren Bestand Millionen Europäer ihr Leben gegeben haben.

Wegen schwerwiegender Menschenrechtsverstöße befindet sich Raisi auf der Sanktionenliste der Vereinigten Staaten. Doch kürzlich erinnerte seine Reise nach Tadschikistan zum Besuch der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) die internationale Gemein-schaft bedrückend daran, daß sie ihren Verpflichtungen nicht nach-gekommen war.

Und es liegt auf derselben Linie, daß Raisi vor der Vollversamm-lung der Vereinten Nationen sprechen durfte; der Westen hat damit seine Kultur der Straflosigkeit fortgesetzt. Er stattete Raisi mit der Gelegenheit aus, schamlos zu behaupten, daß nicht er, sondern eben andere „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begehen.

Das Vergangene ist nur ein Prolog. Das Regime deutet die Konzessionen, die der Westen macht, und seine beschwichtigende Haltung als Zeichen von Schwäche. Die richtige Politik würde darin bestehen, daß man der Theokratie in die Augen sieht und ihr entschieden entgegentritt.

Ebenso grausam wie das 1988 begangene Massaker an tausenden politischen Gefangenen war die Entscheidung, daß man Personen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord begangen haben, mit der Gelegenheit ausstattete, ihr giftiges Vitriol zu verspritzen; doch eben das war der Fall, als Raisi in dieser Woche vor den Vereinten Nationen sprach. Es war, um das Geringste zu sagen, eine Schande.