Thursday, March 28, 2024
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Exklusivbericht: Der Plan für die Internetzensur des iranischen Regimes und seine Konsequenzen

Laut Irans staatlichen Medien ist das Parlament des Kleriker Regimes dabei, ein „Schutzgesetz” für das Internet zu verabschieden, womit das Internet des Landes und seine Online Freiheiten noch mehr eingeschränkt werden.
Das Gesetz, das offiziell als „Schutz der Benutzerrechte des Cyberspace und Regulierung von Kern-Online-Diensten“ bezeichnet wird, wird den Zugang von Bürgern zu internationalen Diensten untergraben, in erster Linie zu sozialen Medien, und dem Sicherheitsapparat des Regimes erlauben, die Internet Gateways zu kontrollieren, um die Unterdrückung von Abweichungen zu verstärken.
In seiner Rede am 20. Juli 2021 hat der Oberste Führer der Mullahs Ali Khamenei seine große Angst vor den sozialen Medien geäußert und die Notwendigkeit, sie zu kontrollieren, eine „bedeutungsvolle vorliegende Aufgabe“ des Regimes genannt. Er fügte hinzu, dass die Amtsträger dem als einem „Schlüsselproblem“ ihre Aufmerksamkeit widmen sollten.
„Der Cyberspace und die sozialen Medien sind außerhalb unserer Kontrolle. Dies ist ein [ernstes Problem]. Soziale Medien sollten nicht auf jede Art benutzt werden, wie [die Leute es] wollen. Wie das Wasser sollten sie angemessen kanalisiert werden. Andere verwalten jetzt die sozialen Medien und wir sollten nicht untätig daneben stehen“, erklärte Khamenei laut der Nachrichtenagentur Tasnim, einer Einrichtung, die mit der Quds Armee des Corps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) in Verbindung steht.
„Der Feind hat über die sozialen Medien eine Kampfformation angenommen. Das [Regime] sollte auch seine eigene Position beziehen und sich vorbereiten“, bestätigte Khamenei.
Andere Amtsträger im Regime haben ähnliche Befürchtungen geäußert. „Es ist genauso, als ob man [die sozialen Medien] dem Feind ausliefert, damit er psychologische Operationen mitten im Wirtschaftskrieg durchführen kann“, äußerte sich Brigadegeneral Gholamreza Jalali, der Chef der Organisation für zivile Verteidigung des Regimes, gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur ISNA im März 2021.
2018 und 2019 erschütterten zwei große landesweite Proteste die Fundamente des Regimes. Die Menschen forderten einen Regimewechsel und Demokratie. Als das Regime seine brutale Niederschlagung startete, haben Bürgerjournalisten und das soziale Netz der wichtigsten iranischen Opposition schnell die Nachrichten über die heimtückischen Aktionen des Regimes und die Rufe der Menschen nach Demokratie in der Weltgemeinschaft verbreitet. Außerdem haben Protestierende und die Opposition die sozialen Medien benutzt, um weitere Proteste zu organisieren,
Das iranische Regime musste ein Abschalten des Internets verhängen, um weitere Aufstände zu verhindern und den Fluss von Nachrichten und Informationen in die Außenwelt zu stoppen.
Proteste im Iran: Landesweiter Aufstand im Iran- November 2019

Iraner aus allen Lebensbereichen benutzen soziale Medien, um täglich Proteste wegen der sich verschärfenden wirtschaftlichen und sozialen Not zu organisieren.
In den letzten Jahren haben sich trotz der extensiven Dämonisierungskampagne des Regimes gegen die Hauptopposition im Iran, die Mujahedin-e Khalq (MEK), Tausende Jugendlicher dem Netz der Widerstandseinheiten angeschlossen. Diese Widerstandseinheiten haben an der Atmosphäre der Unterdrückung und Furcht gerüttelt, indem sie täglich gewagte Operationen unter der Nase der offenen und verdeckten Agenten der Mullahs durchgeführt haben.
„Die MEK, die in der Hauptstadt eines europäischen Landes stationiert ist, ist bei Tag und bei Nacht damit beschäftigt, ein Klima gegen die Islamische Republik auf Twitter, Instagram und Telegram zu erzeugen“, erklärte General Ebrahim Golfam, der Kulturbeauftragte bei den Vereinigten Chefs der bewaffneten Kräfte des Regimes, im Mai 2019.
Deshalb beabsichtigt das Regime dadurch, dass es ein neues Gesetz zur Beschränkung des Internet verabschiedet, den Sturz der herrschenden Theokratie zu verhindern. Das wird auch ernste wirtschaftliche Konsequenzen für Millionen Iraner haben, die ihren Lebensunterhalt über die sozialen Medien verdienen, besonders in der sich verschlimmernden Krise durch Covid-19.
Für grob geschätzt mehr als eine Million Iraner dienen die Plattformen der sozialen Medien wie Instagram, Telegram und Twitter als virtuelle Unternehmen. Das eingebrachte Gesetz macht es notwendig, dass internationale Technologiefirmen einen legalen Vertreter im Iran haben als Mittel für die Kooperation mit Teheran, um die Online Überwachung zu verstärken.
Unternehmen, die nicht registrierte Apps in den sozialen Medien im Iran betreiben, würden Strafen riskieren. Millionen Iraner müssen entweder zu Plattformen wechseln, die mit dem Regime in Verbindung stehen, und damit ihre grundlegenden Freiheiten aufs Spiel setzen oder riskieren, noch tiefer in Armut zu versinken.
Der frühere Minister des Regimes für Informationstechnologie Mohammad Javad Azari Jahromi hat zugegeben, dass das Gesetz den Zugang zu Informationen beschneidet und zu einer Verbannung populärer Anwendungen für Nachrichtenübermittlung führt.
In einem Brief an Reza Taghipour, den Vorsitzenden des gemeinsamen Ausschusses für die Überprüfung des „Schutzgesetzes“, hat das Parlamentarische Forschungszentrum vor den wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen gewarnt, die eine Verabschiedung dieses Gesetzes haben würde.
Laut der Stellungnahme vom 31. Dezember 2021 des Forschungszentrums des Parlaments wird die ungünstige Folge des Gesetzes auf die digitale Wirtschaft in einer bedeutenden Kapitalabwanderung bestehen und zugleich zu Unterschlagung und Korruption ermutigen. Sie fügt hinzu, dass das Gesetz „den kleinen Online Firmen einen irreparablen Schlag versetzen werde“ und zudem das Maß der Abwanderung von Experten erhöhen werde, was in der Bevölkerung weiteren Unmut gegen das herrschende erzeugen werde.

Wer steht hinter dem „Schutzgesetz”?

Obwohl das letzte Ziel des Regimes eine Zensur und Kontrolle des Internets ist, sind einige Institutionen und Personen direkt involviert und werden bereitstehen, um von dem sogenannten „Schutzgesetz“ zu profitieren. Dazu gehören: das „Forschungsinstitut für islamische Kultur und Kunst“, das „Forschungsinstitut für islamische Kultur und islamisches Denken“, das „Zentrum für tiefe strategische Studien“ und das „Institut für Forschung und Erklärung des Diskurses der Islamischen Revolution“.
Diese Organisationen bestreiten ihr Budget aus dem der Regierung, sind aber private Institutionen unter der Kontrolle des IRGC und von Khamenei. Das Institut für islamische Kultur und islamisches Denken bekommt allein 293 Billionen Rial aus dem allgemeinen Budget für 2022-2023. Zugleich beträgt der Anteil des Krebsforschungsinstituts der Universität Teheran am Budget für 2022-2023 60 Milliarden Rial.
Nepotismus und Korruption spielen außerdem eine Rolle. Abbas Moradi, Sina Kalhor, Massoud Fayazi und Ruholla Momen sind einige bekannte Personen und Verwandte von Amtsträgern im Regime, die hinter der Maßnahme stehen. Sie werben für „heimische Plattformen für soziale Medien“.
Massoud Fayazi, der wissenschaftliche Aufseher der Überprüfung des Gesetzes hat keinerlei Hintergrundwissen in Bezug auf die Computerwissenschaft. Er gab gegenüber dem staatlichen Fernsehen an, dass „die Ära des Filterns der sozialen Medien vorbei ist“ und dass das Regime stattdessen „grundlegende Regulierungen für Internetdienste etablieren“ sollte.
Wenn die internationalen Plattformen für soziale Medien aus dem Iran vertrieben werden, werden Unternehmen wie die Sharif Amid Computer Gesellschaft den Markt übernehmen. Dieses Unternehmen wird geleitet von Maryam Zakani, der Tochter des Teheraner Bürgermeisters Alireza Zakani, und ihrem Ehemann Hossain Heydari. Heydari arbeitet auch in der Firma Arsh Ideographie, auch ein Unternehmen für Anwendungsentwicklung, dessen bekannteste Anwendungssoftware „Rubika“ ist.
Derzeit erlauben die Service Provider des Iran den Benutzern, diese Anwendung kostenlos herunterzuladen. Es gibt jedoch einige Spekulationen, dass Rubika, nachdem soziale Medien wie Telegram aus dem Iran vertrieben worden sind, in ein Gebührenmodell übergehen würde.
Eine andere sogenannte heimische Anwendung ist „Instagram Plus“. In einer TV Debatte am 31. Juli 2021 hat Abbas Moradi, auch einer der Planer des „Schutzgesetzes“ bestätigt: „Wir werden auf Instagram Plus Online Banking haben“. „Moradis Worte lassen die bittere Erfahrung wieder aufleben von früheren Versuchen, lokale Kopien von Plattformen von sozialen Medien wie Golder Telegram oder auch von Suchmaschinen zu erstellen“. Diese Aktionen haben zu einer Verschwendung von Millionen Dollar aus dem nationalen Vermögen geführt“, schrieb die staatliche Tageszeitung Hamshahri („Mitbürger“) am 2. August 2021.
Das Finanzimperium der Revolutionsgarden

Unter Berufung auf Nima Namdari, einem Mitglied des Direktoriums des Teheraner Computer Gilde Systems schrieb Hamshahri, dass die Verabschiedung des Internet Schutz Plans eine „Unterschlagung von 10 000 Billionen Rial [das entspricht 35 Millionen $ nach dem derzeitigen Wechselkurs auf dem freien Markt]“ zum Ergebnis haben werde.
„Laut diesem Plan werden 10 % der Anteile privater Unternehmen, die Dienste der Telekommunikation anbieten, an das Ministerium für Kommunikation übergehen, um Ersatzprogramme für die gefilterten Plattformen zu entwickeln. Wenn das Ministerium für Kommunikation diese Aufgabe nicht erfüllen kann, wird dieses Geld an das Sekretariat des Hohen Rats für den Cyberspace überreicht“, der von Khamenei kontrolliert wird.
Wie andere Entscheidungen, die das Regime getroffen hat, werden sich an der Einschränkung des Internets große Proteste entzünden, ein „bitterer Albtraum“, der von den staatlichen Medien schon vorausgesagt wird. „Während die Menschen unter der Last der Armut zusammenbrechen und Covid-19 viele Geschäftsbetriebe beschädigt hat, ist das Parlament bestrebt, ein Gesetz [zur Beschränkung] des Internet durchzubringen. Das wird seine Konsequenzen haben“, meldete die staatliche Internetseite Khabar-e Fori („Eilnachricht“) am 1. Dezember 2021.
Trotz der direkten Anordnung Khameneis, die sozialen Medien zu kontrollieren, zögern die handverlesenen Abgeordneten im Parlament. „In unserem Land werden die grundlegendsten Probleme wegen des Missmanagements nicht gelöst. Dann suchen wir die Zustimmung für das Eindringen in die Privatsphäre der Menschen und verringern unter dem Vorwand des Schutzes die Geschwindigkeit und Bandbreite des Internets“, erklärte ein Parlamentsmitglied Ruholla Hazrat-Pour am 14. November laut der Nachrichtenagentur Khan-e Mellat.
Das Regime ist in einer ernsten Zwickmühle. Wenn es das Gesetz verabschiedet, riskiert es große Proteste einer schon verärgerten Bevölkerung. Wenn es das nicht tut, werden sich mehr Jugendliche der MEK anschließen und die Proteste werden häufiger und organisierter. Das kennzeichnet genau ein verzweifeltes Regime, dessen Tage gezählt sind, weil ihm die Optionen ausgehen und es keinen Weg aus den sich ansammelnden Krisen finden kann.