Friday, March 29, 2024
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Iran: Versicherungen kommen nicht mehr für 100 oft benötigte Pharmaka auf

Von Amir Taghati

Während das iranische Regime die fortschrittlichsten und effizientesten privaten und sogar persönlichen Krankenhäuser für Führer des Regimes und andere staatliche Persönlichkeiten  hat einrichten lassen, werden der iranischen Bevölkerung mehr und mehr die geringsten Leistungen für medizinische Behandlung und Vorsorge versagt.

Vor kurzem wurde bekannt gegeben, dass etwa 100 Pharmaka, die oft verwendet und bisher billig sind, nicht länger im Plan der sozialen Versicherungen geführt werden, was bedeutet, dass sie nur für einen höheren Preis zu bekommen sind.  Beamte des Gesundheitsministeriums behaupten jetzt, dass durch diese Entscheidung im Gesundheitssystem fast 140 Milliarden Toman eingespart würden.

„Zu den herausgenommenen Artikeln gehören einige nicht verschreibungspflichtige Medikamente wie kalte Drogen, Acetaminophen und Antihistamine“, erläuterte der Vorsitzende der Krankenversicherungsorganisation Taher Muhebati laut der Website des Gesundheitsministeriums.

Obwohl die Entscheidung, die Pharmaka aus der Liste dessen, was die Versicherung abdeckt, herauszunehmen,  schon im letzten Jahr getroffen worden war, war das Regime wegen der landesweiten Proteste im Januar gezwungen, die Umsetzung der Entscheidung bis zur vergangenen Woche am 7. Juli 2018 zurückzuhalten und zu verschieben. Jetzt aber wurde verkündet, dass ab 11. Juli etwa 100 Pharmaka nur zu Preisen zu bekommen sind, die keinen Unterstützungsanteil enthalten.

Staatliche Internetseiten haben inzwischen auf den neuesten Schritt der Regierung reagiert und geschrieben: „In ihrer neuesten Entscheidung hat die Regierung seltsamerweise einige oft benutzte Pharmaka aus der Abdeckung durch die Versicherung herausgenommen. Das bedeutet, dass man das Mehrfache für eine kalte Droge bezahlen muss“.

OTC (nicht verschreibungspflichtige) Medikamente wurden bislang sehr häufig von Menschen mit geringem Einkommen verwendet, solange man sie billig in Drogerien bekommen konnte, um kleinere Erkältungen oder Kopfschmerzen zu kurieren. Beamte des Gesundheitsministeriums behaupten jetzt, solche Pharmaka würden zu häufig benutzt, um die Kosten von der Regierung teilweise ersetzen zu lassen, und daher rühre die Entscheidung, ihre Preise zu erhöhen und sie aus der Abdeckung durch die Versicherung herauszunehmen mit dem Ziel, ihren unbeschränkten Konsum zu reduzieren.

Seit die Entscheidung wirksam geworden ist, gibt es Engpässe bei Pharmaka und um bis zu 70 Prozente höhere Preise. Diese Entscheidung wird somit die Gesundheitsversorgung für Menschen mit geringem Einkommen und Lohnempfänger aufs Spiel setzen und merklich verteuern.

Unter Hinweis auf die negativen Konsequenzen haben einige Ärzte gewarnt, dass die Entscheidung viele ihrer Kollegen zwingen werde, Medikamente zu verschreiben, die normalerweise nur die zweite oder dritte Wahl wären. Die Ärzte werden dennoch dazu neigen, sie zu verschreiben, weil sie eben unter den Leistungen der Versicherung geführt werden und der Patient dafür aufkommen kann, was wiederum zu einer erhöhten Zahl von Fällen des Missbrauchs von Pharmaka führe.

Die andere Seite der inhumanen Entscheidung des Regimes kann man sehen, wenn man sich vor Augen führt, welche Art von medizinischen Leistungen Vertreter des Regimes bekommen.

Die meisten der hochrangigen Vertreter des Regimes haben Zugang zu einem mobilen Behandlungsteam, das   sich dauerhaft am nächst möglichen Punkt befindet. Dieses Team mit bester Ausstattung begleitet ständig die jeweilige Person und steht bereit, 24 Stunden pro Tag im ganzen Jahr für ihre gesundheitliche Versorgung da zu sein.

 „Zu den hübschen Jobs von Herrn Ahmad gehörte es, eine kleine moderne Herzklinik nahe der Wohnung von Khomeini aufzubauen“, so scheibt Hashemi Rafsanjani in seinem Tagebuch, „das medizinische Team, das in dieser Klinik stationiert war, hat mehrere Male Khomeinis Leben gerettet“.

Ebenso hat Mohammad-Hossein Khoshnevis, ein Mitglied des Ärzteteams von Khomeini, in einem Interview auf die dauerhafte Anwesenheit eines medizinischen Teams für Schlüsselfiguren des Regimes hingewiesen: „In einer Nachtschicht um etwa zwei Uhr am Morgen bemerkten die Krankenschwestern, die Khomeinis physische Verfassung überwachten, eine gefährliche Herzrhythmusstörung. Das medizinische Team vor Ort wurde sofort informiert und war sofort da für Wiederbelebungsmaßnahmen“.

Im Jahr 2009 wurde bekannt, dass eine private Klinik mit vier Ärzten im „Standby” im Erdgeschoss der Residenz des Regimeführers Ali Khamenei  vorhanden ist, die seinen Zustand 24 Stunden am Tag überwachen.

Als ein Mitglied des Sicherheitsteams, das das Land im Jahr 2009 aus Angst vor einem Kollaps des Regimes verließ, ließ die Quelle, die die Information ans Tageslicht brachte, verlauten: „Ein reichlich ausgestatteter medizinischer Bus begleitet Khamenei ständig bei seinen Reisen. Ebenso ist ein fortschrittliches mobiles Hospital zur Hand bei den Flugreisen Khameneis“.

Für die anderen Schlüsselfiguren des Regimes ist das mehr oder weniger die gleiche Geschichte. Das geht so weit, dass es bei diesen Vertretern des Regimes und ihrem Anhang  ganz und gar üblich ist, eine medizinisches Team und eine Einheit für den Notfall permanent bei sich zu haben.

Trotzdem gehen manche Leute aus dem Staatsapparat und ihr Nachwuchs lieber ins Ausland, um sich vollständig überprüfen zu lassen und die modernsten medizinischen Leistungen zu bekommen, anstatt ein 24-Stunden Team zur Verfügung zu haben.

Ein anderer Aspekt der offensichtlichen Diskriminierung ist das Entstehen von zahlreichen fortgeschrittenen  Kliniken im Iran, die medizinische Leistungen von Weltklasse und von hoher Qualität zu atemberaubenden Preisen anbieten. Wenn man aber berücksichtigt, dass die nationale Währung im Iran sich rapide entwertet, so ist die Höhe der Preise für die Leistungen, die solche Kliniken anbieten, nur ein Bruchteil  derjenigen, die ausländische Kliniken verlangen, was viele wohlhabende Leute in der Region und in der Welt und sogar Angehörige der europäischen und arabischen Mittelschicht dazu ermutigt, in den Iran zu reisen, um erstklassige medizinische Leistungen zu niedrigen Preisen zu bekommen.

„Hunderttausende von medizinischen Touristen aus den Ländern der Region reisen in jedem Jahr in den Iran, um ärztliche Leistungen zu bekommen“, so Mohammedhaji Aghajani, der Chef der Beheschti Universität für Medizin (die frühere Melli Universität) laut der staatlichen Nachrichtenagentur ISNA am 25. April 2018.

Zuvor hatte Dr. Simforoush, der Chef der Abteilung für Urologie an der Beheshti Universität, dazu geäußert:  „Das iranische Modell der Nierentransplantation hat die Welt beeindruckt!“

Der Manager einer solchen Klinik hat jetzt gesagt, dass sie im vergangenen Jahr zwei Millionen Dollar  durch den medizinischen Tourismus eingenommen hätten. Wenn es aber um iranische Menschen geht, besonders solche mit geringem Einkommen, so können sie die Leistungen, die solche Kliniken anbieten, nicht nutzen, gleichgültig ob sie versichert sind oder nicht, und sie müssen eine Mahlzeit auslassen, damit sie für die kalten oder heißen Medikamente oder die operativen Eingriffe aufkommen können, da die Sozialversicherung  solche oft benutzten Pharmaka aus der Abdeckung herausgenommen haben und sie nur als bezahlte Pharmaka führen, damit sie ihr eingesetztes Kapital schnell und in bar wiederbekommen.

Die letzte Entscheidung des Regimes, die  Menschen mit geringem Einkommen mit den Kosten für gesundheitliche Fürsorge und Lebenshaltung mehr unter Druck setzt, wird zweifellos den ohnehin glühenden Herd der Proteste in der Bevölkerung  weiter anheizen.