Friday, March 29, 2024
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Wahl im Iran 2021: Das vorweg entschiedene Ergebnis der Wahl im Iran unterstreicht: „Das Spiel ist aus.“

Als in dieser Woche die endgültige Liste derer erlassen wurde, die zu der Farce der Wahl des Präsidenten kandidieren, wurde bestätigt, was der iranische Widerstand schon lange sagt: Die Wahl am 18. Juni wird wenig mehr sein als eine Formalität, die den Prozeß der Installierung eines vorweg ausgewählten Präsidenten abschließt. Nachdem die Organisation der Volksmojahedin des Iran (PMOI/MEK) zum Boycott aufgerufen hatte und nach der von den Widerstandseinheiten der MEK zwei Monate lang durchgeführten Kampagne sagen selbst die staatlichen Organe voraus, daß die meisten Iraner eine Teilnahme an der Wahl vermeiden werden.

Der Wächterrat, de facto ein Agent des Willens des Höchsten Führers, hat sämtliche möglichen Kandidaten ausgeschlossen, die als „Reformisten“ hätten eingestuft werden können. Das konnte kaum überraschen, denn schon vor den Parlamentswahlen im Februar 2020 hatte er gleichermaßen gehandelt und damit zum öffentlichen Boycott der Wahl beigetragen. Außerdem hatte besagter Boycott durch die organisatorische Tätigkeit der MEK bereits an Fahrt gewonnen.

Zu Beginn des Jahres 2018 führten die MEK im ganzen Lande einen Aufstand gegen die Regierung durch; durch ihn erlangte die Forderung eines Wandels des Regimes allgemeine Anerkennung. In dem ganzen Jahr wurden zahllose Demonstrationen wiederholt – ebenso auch während eines weiteren, noch größeren Aufstandes im November 2019. Dieser wiederum bereitete den Boden für die historisch geringe Beteiligung an der Wahl, die nach drei Monaten stattfand. Ihr war eine Kampagne der MEK vorausgegangen, die den Boycott der Wahl als „Votum für den Wandel des Regimes“ bezeichnete.

Die früheren Aufstände wurden zum Teil durch Slogans definiert, die sich gegen beide politischen Fraktionen des Establishments richteten und erklärten: „Das Spiel ist aus.“ Daher läßt sich der folgende Wahlboycott am besten als Zurückweisung des gesamten Systems verstehen, in dem die beiden Fraktionen die Macht miteinander teilen, während sie im Grundsatz dieselbe Politik betreiben.

In den Tagen und Wochen vor der Bekanntgabe der Kandidaten fanden zu verschiedenen Angelegenheiten öffentliche Demonstrationen statt; dabei befürworteten verschiedene Gruppen von Engagierten den Wahl-Boycott. Diese Bekräftigung wurde oft in sehr entschiedenen Begriffen geäußert; die Massen der Demonstranten skandierten Slogans wie diesen: „Wir haben keine Gerechtigkeit erlebt; wir gehen nicht zur Wahl.“

Diese offenkundige Zurückweisung des gesamten Betriebs der iranischen Wahlen unterstreicht den Gedanken, daß es sich bei ihnen nur um ein „Spiel“ handelt. Gegenüber dieser Empfindung sah der Höchste Führer offenkundig wenig Sinn darin, an der Illusion, an der Urne finde eine wirkliche Wahl statt, festzuhalten. Daher ging der Wächterrat über die erwartete Zurückweisung der reformi-stischen Kandidaten noch dadurch hinaus, daß er Gestalten von der Wahl ausschloß, die auch von dem Establishment der Hardliner hätten unterstützt werden und dadurch für Ebrahim Raisi eine wirkliche Herausforderung darstellen können.

Zu diesen Persönlichkeiten gehörten der frühere Parlamentssprecher Ali Larijani und Rouhanis Vorgänger Mahmoud Ahmadinejad, der erneut hätte kandidieren können, da seit seiner Administration, die zwei Perioden umfaßt hatte, schon eine gewisse Zeit verstrichen ist. Während er sich im Mai als voraussichtlicher Kandidat registrieren ließ, erklärte Ahmadinejad, wenn ihm die Kandidatur nicht gestattet werde, so werde er die Wahl boy-cottieren. Obwohl seine Denkweise von der der normalen Iraner weltenweit entfernt ist, unterstreicht sein öffentlicher Kommentar dennoch die Tatsache, daß diese Wahl für das geistliche Regime eine Krise darstellt.

Er bezeichnete sein Bestreben, erneut Präsident zu werden, als die letzte Chance des Regimes, sich vor dem Zusammenbruch zu retten. Während die staatlichen Medien des Iran die Diskussion der Lage in solch verheerenden Begriffen unterließen, haben doch viele von ihnen vorausgesagt, daß das Wahlergebnis einen historischen Tief-stand erreichen könne und daß dies als Anzeichen einer bevorstehenden Entladung der sozialen Unruhe gelten könne.

Einige Presseorgane haben festgestellt, daß das offizielle Schweigen zu solchen Bewegungen und ihrem möglichen Nachspiel den Wahlboycott wahrscheinlich noch befördern werde. Im November 2019 töteten während weniger Tage die iranischen Behörden annähernd
1 500 friedliche Demonstranten und verhafteten tausende. Noch Monate darnach wurden viele von ihnen systematischer Folter ausgesetzt – durch die Justiz, die von einem Mann geleitet wird, der sich anschickt, bei der Wahl des nächsten Präsidenten als sicherer Favorit zu kandidieren.

Solche Folter bekräftigte die brutale Erbschaft, die Raisi schon vor dreißig Jahren gesichert hatte; denn damals bewies das gesamte Regime das Ausmaß seines Strebens darnach, jede wirkliche Alternative zu seiner Politik und seiner theokratischen Ideologie, wie sie von allen Funktionären des Establishments geteilt wurde, auszuschalten. Im Jahre 1988 erließ Ruhollah Khomeini, der Gründer des Regimes, eine Fatwa, in der alle Mitglieder und Freunde der MEK zu Feinden Gottes und mithin zu Zielen summarischer Hinrichtung erklärt wurden. Es folgte die Bildung der „Todeskommissionen“, die überall im Lande die politischen Gefangenen verhören und darnach entscheiden sollten, auf wen dieser Befehl zutraf; und Raisi, damals der stellvertretende Staatsanwalt von Teheran, spielte in diesem Prozeß eine führende Rolle.

Im Verlauf weniger Monate dieses Jahre wurden mehr als 30 000 politische Gefangene in Gruppen erhängt und darnach in geheimen Massengräbern bestattet. Die überwältigende Mehrheit dieser Todesopfer bestand aus Mitgliedern der MEK. Bis heute verteidigen Raisi und andere, die an dem Massaker von 1988 teilgenommen haben, diese ihre Erbschaft; manche von ihnen gehen so weit zu sagen, sie hätten, als sie den Tod von Mitgliedern der MEK anordneten, dem Willen Gottes gehorcht.

Die Entscheidung Khameneis, Raisi zum Präsidenten zu machen, bedeutet eine offene Bekräftigung der fortgesetzt gegen die MEK – und mithin gegen alle Iraner, die deren demokratisches Programm durch Teilnahme an den jüngsten öffentlichen Demonstrationen und an dem Wahlboycott unterstützten – gerichteten Brutalität.

Die Anwälte der Menschenrechte in aller Welt sollten dies im Kopf haben und daher auf die von den iranischen Funktionären abgegebenen Voraussagen einer geringen Wahlbeteiligung und der lauernden Unruhe gezielt aufmerksam sein. Wenn diese Unruhe ausbricht, wird sie mit Sicherheit zu weiteren Massenmorden und zu systematischen Folterungen führen, jenen ähnlich, die den Aufstand von November 2019 begleiteten – es sei denn, die internationale Gemeinschaft unternähme ernsthafte Maßnahmen, um solches zu verhindern.

Der anhaltende Aufstieg Raisis in der Hierarchie des Regimes erinnert kaltherzig an die Straflosigkeit, die jene, die gegen die Menschenrechte verstoßen, im iranischen Regime genießen. Doch für die Westmächte und die Vereinten Nationen ist er zugleich eine vorzügliche Gelegenheit, diese Straflosigkeit auf internationaler Bühne herauszufordern, indem sie erneut Aufmerksamkeit auf das Massaker von 1988 fordern, den voraussichtlichen Präsidenten mit Sanktionen belegen und eine Ermittlung vorantreiben, die für ihn und andere zu Anklagen beim Internationalen Strafgerichtshof führen könnte.

Das iranische Volk weiß, daß die Funktionäre des Regimes und seine Fraktionen in alle seine Verbrechen verwickelt sind; es hat daher klar gemacht, daß es das System im Ganzen ablehnt. Für die internationale Gemeinschaft ist es schon lange an der Zeit, den Gedanken zurückzuweisen, daß eine innere Reform des Regimes angesichts seiner Erbschaft bösartigen Handelns und seiner Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine gangbare Lösung sei. Wenn die Bevölkerung des Iran die Wahl am 18. Juni verweigert, sollten die Führer des Westens sofort klar machen, daß sie das Verlangen des iranischen Volkes nach einem Wandel des Regimes unterstützen.